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Vorwort: Der Seymaru Roman basiert größtenteils, aber nicht gänzlich auf der Geschichte des Spiels. Einige Dinge, die Einfluss auf die    Weltgestaltung nehmen, habe ich abgeändert und erweitert. Storyinhaltlich gibt es auch Unterschiede.

Genre: Abenteuer/Fantasy

 

Von Wind und Schatten

- Seymaru -

 

Kurze Weltdarstellung Ayranis':

Es bestand ein Band zwischen den drei Brüdern, den Elementarherren dieser Welt:

Setu, Herr über Wind und Wasser und dessen zwei Töchter, die Naturgeister über die gleichen Elemente.

Grahl, Herr über Feuer und Erde und dessen zwei Töchter, die Naturgeister über die gleichen Elemente.

Schatten, Herr über die Dunkelheit und namenlos wie das Nichts.

 

Nach der Erschaffung von Ayranis wurden Setu und Grahl ausgespielt von ihrem neidischen Bruder, der kein Platz in der Welt fand und seinen Schatten nicht ausbreiten konnte. Die beiden Brüder bekriegten sich, Chaos herrschte und die Welt brannte. Irgendwann besannen sich die zwei und verstanden. Die vier Winde der Himmelsrichtungen wurden gerufen und löschten das Feuer auf Erden. Wasser viel vom Himmel und ließ Ayranis erblühen. Die Brüder verbannten den Schatten, auf das er sein Dasein auf ewig irgendwo in Ayranis gebunden an einem Ort umringt von den Elementen fristen möge.

Das erste Volk entstand, später die Uralten genannt. Ein Drache, groß wie ein ganzes Land, wachte über den Ort des Schattens. Bis nach langer Zeit der Harmonie und des Gleichgewichts was vom Himmel fiel und sich verteilte. Es waren Stücke des Mondes und sie besaßen große macht. Üble Macht.

Das erste und größte Stück traf Draku, den Wächter über den Schatten. Er stürzte auf den westlichen Kontinent und starb. Später füllten Setus Tränen den Krater und der Leiora-See entstand. Die Uralten kamen der Macht des Mondes zu Nahe und veränderten sich. Das Volk Ayranis' wurde gespalten und es entstanden mehrere Völker über die Zeit...

 

 

Leseprobe:

 

Kapitel zwei: Die Tryance

Es war schwarz. Pure Schwärze überall. Allein eine Treppe, die ins Nichts zu führen schien, war genügend ausgeleuchtet. Langsam schritt Durei die Treppen hinab, versuchte aber schneller zu werden, um das Ende zu erreichen. Doch es schien kein Ende zu haben…„Ist jemand da?!“, rief er. „Ist noch jemand hier?!“ Und er ging wieder ein paar Stufen weiter hinunter. „Bitte…“, sagte er nur noch fast flüsternd und lies sich schließlich verzweifelt auf die Stufen fallen.

 

Etwas Helles blendete ihn. Es war die Sonne, dessen Strahlen durch Baumblätter zu ihm hindurch drangen. Vögel sangen und das Getümmel von vielen Leuten war zu hören. Langsam öffnete Durei seine Augen immer weiter.

„Alles in Ordnung bei Euch?“, klang es dann auf einmal von seiner linken Seite her. Und tatsächlich konnte er einen Umriss einer kleinen Gestalt erkennen. Langsam war er wieder an das helle Licht gewöhnt und sah klarer. Es war Dawn, der mit einem besorgten Gesicht über Durei gebeugt stand. Das müsste dann geheißen haben, dass er auf dem Boden lag. Schnell versucht er dann auf den Beinen zu kommen und stützte sich mit beiden Armen hoch. Nach einem kurzen Augenblick wusste er wo er war.

Er lag in einer verlassenen Ecke hinter einem Blumenstand des Marktplatzes, gut versteckt konnte man sagen. Er kam auf die Beine und fühlte noch etwas Benommenheit in sich. Noch nie hatte er einen derartigen Anfall gehabt. Selbst wie es dazu kam, war ihm nicht bewusst gewesen. Es fühlte sich ein wenig anders an als ein Traum. Noch nie hatte er sich von einem Traum so hinreißen lassen.„Mir geht es gut… seid Ihr schon lange hier, Dawn?“, antwortete er dem Halbling schließlich etwas verspätet.

„Ich hörte vor ungefähr einer Minute ein „Ist da jemand?“ oder so ähnlich aus der Ecke rufen. Da ich dachte, dass dort jemand Hilfe benötigte, bin ich gleich hingerannt und da habt Ihr gelegen.“

„Ja, mir ist der Grund dafür schleierhaft…“Durei sah nachdenklich auf den Boden. „Habt Ihr in der Zwischenzeit Erfolg mit Eurem Geschäft gehabt?“, fragte er ablenkend. Dawn sah nicht sehr glücklich über diese Frage aus: „Ich habe keine Zutaten mehr, einiges ging verloren oder wurde gestohlen. Ich hoffe nur, dass bald ein Schiff kommt. Es sind nur noch genug Draku für die Heimreise übrig…“

Dawn war niemand, der es verdiente so zurückgelassen zu werden. Wenn es stimmte, was man über die Küche der Halblinge sagte, so wäre er für die kommende Reise eine Bereicherung. Hier konnte Durei bei der Rekrutierung von Mannschaftsmitgliedern ansetzen, dachte er. Je schneller er es schaffte, brauchbare Leute aufzutreiben, desto kürzer brauchte sich Less in der Gewalt des Königs aufzuhalten. Auf der Reise war es immer noch möglich, unbrauchbare Besatzung durch brauchbare zu ersetzen.

„Was sagt man über Eure Kochkünste? Bietet Euer Gedächtnis genügend Gerichte?“ Dawn sah überrascht über das Interesse zu Durei auf.„Nun… ja. Mein Essen wurde bisher immer hoch gelobt und die Abwechslung lässt nicht zu wünschen übrig. Doch wieso fragt Ihr?“

„Ich habe ein Schiff und stelle eine Mannschaft zusammen. Ein Koch könnte nicht schaden. Was sagt Ihr, Dawn?“ Mit dieser Frage wollte Durei mehr helfen als rekrutieren. Auch wenn er es sich selbst ausredete. Mit großen erstaunten Augen wollte der Halbling vor Freude am liebsten aufhüpfen. Doch seinem folgenden Gesichtsausdruck nach schien ihm dann etwas einzufallen und er sah wieder etwas betrübt daher. „Da wäre nur… mein Begleiter… ich kann ihn nicht zurücklassen. Er ist mein Freund.“

„Er ist in der Taverne, richtig? Ich werde mit ihm sprechen. Er kann natürlich auch mitkommen.“Der Gesichtsausdruck ging wieder ins Erfreuliche über.

„Vielen Dank, mein Herr! Durei, richtig? Ihr werdet ihn an seinen Tätowierungen erkennen können.“„Ist gut. Begebt Euch schon mal zum Schiff und wartet davor, falls Euch die Wachen nicht durchlassen. Es ist die Tryance“, antwortete Durei und sah Dawn hinterher, der glücklich zum Hafen rannte. Ein gutes Gefühl jemanden geholfen zu haben, ohne einen anderen dafür büßen zu lassen, dachte er. Andererseits hatte er auch noch nie das besagte Gewürzbrot gekostet und war ebenso auf die anderen Gerichte gespannt, die Dawn zu bieten hatte. So hatte er schon mal sein erstes Besatzungsmitglied angeheuert.

 

Er blieb noch eine Weile auf dem Marktplatz und sah sich um. Ein großer Teich erstreckte sich am Ende der Stände bis hin zur Stadtmauer. In ihrer Mitte befand sich eine kleine Insel, auf dem ein mittelgroßer Baum wuchs. Reiche sowie Arme Menschen spazierten von Stand zu Stand und begutachteten die Waren. Zwischen der Menge waren hin und wieder mal Ritter und Stadtwachen zu sehen. An solchen hatte König Trohas nie gespart, das wusste jeder. Die Waren der Händler unterschieden sich je nach Stand wesentlich von denen des anderen. Einer verkaufte Blumen, ein anderer Schreibfedern und anderes Schreiberzubehör. Werkzeuge, geschmiedete Hilfsmittel für die Feldbestellung und Hufeisen als Glückssouvenirs gab es beim Stand des Schmieds zu kaufen. Und Hehler, die ihre Waren möglichst so verkauften, dass die Wachen nichts mitbekamen waren natürlich auch darunter. Häufig waren es kleinere Waffen wie Dolche, gestohlene Edelsteine oder Laiakraut, was unerlaubt unter die Hand verkauft wurde. Die Preise wurden aufgrund der Menge an reichen Kunden oft maßlos in die Höhe getrieben. Doch bis es jemand bemerkte, waren sie schon längst weg und suchten ihr Glück beim nächsten Kunden.Es dauerte nicht lange, bis etwas Dureis Aufmerksamkeit auf sich zog. Irgendwas baumelte plötzlich über den Köpfen der spielenden Kinder auffällig umher und verschwand schließlich in einer Ecke. Durei hätte schwören können, dass es wieder die kleine Gestalt mit dem spitzen Hut vom Hafen war. Er war sich sogar beinahe sicher, dass es sich bei dem baumelnden Objekt um die Hutspitze handeln musste. So ging er ihr also nach und folgte ihr zur besagten Ecke, indem er sich mit Körpereinsatz durch die Menschenmenge drängelte. Kurz vor dem Ziel hielt er aber an und näherte sich dann nur noch langsam. Im Schatten der Stadtmauer konnte er dann tatsächlich die kleine Gestalt erkennen, wie sie mit dem Gesicht zur Mauer gewandt etwas in ihren Händen betrachtete.

„Feuer… Feuer? Nein. Nein!“ Immer wieder funkten kleinere Stichflammen in den seinen Händen auf und erloschen anschließend wieder. Das Wesen sprach mit sich selbst: „Oh nein…!“

„Ihr wurdet betrogen, habe ich recht?“, fragte Durei hinterrücks und kam mit langsamen Schritten näher. Der Kleine drehte sich erschrocken um, schritt zurück und stieß schließlich an die Wand, als säße er in der Falle.„Du brauchst Dich nicht zu fürchten. Ich habe nur eine Frage“, versuchte Durei ihn zu beruhigen. Der scheinbar verängstigte Gnom schwieg, sein Körper bibberte. Das runde Objekt, welches er sich eben noch angesehen hatte, fiel ihm aus der Hand und rollte in Dureis Richtung. Dieser beugte sich runter und hob es auf. Es war ein oval geschliffener, rotgelber Edelstein.

„Ein Topas? Diese Edelsteine werden gerne als Elnasteine verkauft. Die Menschen glauben es und geben dann mehr Geld dafür aus als sonst. Du wurdest eindeutig übers Ohr gehauen und es war sicherlich nicht billig.“

Der Blick des Gnoms haftete auf den Stein und unter seinem spitzen Hut wurde langsam sein Gesicht erkennbar. Eine kugelrunde kleine blassrosa Nase inmitten eines kleinkindlich aussehenden Gesichts mit großen bernsteinfarbenen Augen. Sobald sich der Schatten des Hutes wieder über das Gesicht legte, fingen die Augen wieder an gelb zu leuchten. Er hörte auf vor Angst zu zittern.

„Kein… Feuer…“, flüsterte er ernüchternd mit seiner kindlichen Stimme. Durei wusste zwar nicht allzu viel über die Völker des Westens, doch er war sich langsam sicher, dass es sich hierbei um einen Gnom handelte. Diese Wesen konnten weitaus älter sein, als sie aussahen, und seien es Jahrzehnte. Doch waren sie meistens dementsprechend naiv. Ihre Fähigkeit Dazuzulernen war nicht weit ausgedehnt und so war für sie jede schon mal erlebte Situation eine neue Erfahrung. Ob es wohl die Güte in ihnen war? Durei blieb bei zwei Meter Entfernung stehen und hockte sich hin. Da der Gnom ihm, den Hut weggedacht, nur bis zu den Kniescheiben reichte, hielt er es nur fair mit ihm auf angemessener Höhe zu kommunizieren.

„Ich hörte, dass alle Gnome zu den sonst wenigen Auserwählten gehören, denen die Gunst eines Elements gewährt wird. Ist das der Grund, weshalb Du den Topas wolltest? Um Deine Feuerfertigkeit damit zu verstärken?“

Ungläubig starrte der Gnom noch vor sich hin. Nach einigen Sekunden fing er dann doch noch leicht zögernd an zu antworten: „Feuerprüfung von Tapato Heimat. Feuerstein für mehr Feuer. Und… Draku weg…“

„Ich fürchte, dass der Verkäufer dieses Steins sich schon davongemacht hat. Das war wohl alles Geld was Du hattest, oder?“

„Alles…“

„Ich kann Dir anbieten, auf mein Schiff zu kommen. Dein Elera könnte uns eine große Hilfe sein. Sobald wir auf dem westlichen Kontinent sind, hast Du die Gelegenheit heimzukehren.“Durei dachte sich, jemanden mit Elera sehr gut brauchen zu können. Nur bestimmten Personen in ganz Ayranis war es vergönnt, einen kleinen Teil eines bestimmten Elements zu beherrschen. Diese Gabe nannte man aus der Sprache der Uralten heraus Elera. Wieder eine Sache, die er nur dank Großvater wusste.Unentschlossen stand der Gnom noch da, den Kopf leicht gesenkt, aber zu Durei blickend.

„Hast Du einen Namen?“, fragte Durei.

„Name Vair…“

„Ich bin Durei. Solltest Du Dich für mein Angebot entscheiden, gehe zur Tryance. Es werden weitere Leute da sein.“

Durei streckte seine Hand mit dem Topas zu Vair aus, damit dieser seinen Stein zurücknehmen konnte. Er kam mit kleinen Schritten auf ihn zu und streckte ebenso seinen kleinen Arm aus, während kurz darauf der Edelstein auf seine Hand landete. Nun richtete Durei sich wieder auf und machte sich auf dem Weg zur Stadtmitte. Es war zum Teil Mitleid im Spiel, sowie der Wille, das Vertrauen des Gnoms aufgrund irgendwelcher Aufdringlichkeiten nicht aufs Spiel setzen zu wollen. Mehr konnte er nicht tun, um Vair zu rekrutieren ohne ihn wieder zu verängstigen. Auf seinem Weg drehte er sich nicht noch mal um und wusste daher auch nicht, ob der kleine Kerl seinem Angebot nachkommen oder sich aus dem Staub machen würde. So ließ er es dem Zufall entscheiden und dachte, sich auf dem Schiff überraschen zu lassen.

„Ich Narr…“, dachte Durei mit sich selbst redend. Seine Mannschaft konnte nicht nur aus jenen bestehen, die er aus Hilfsbereitschaft oder Mitleid rekrutierte. Er brauchte Krieger, Leute mit Erfahrung und wenn möglich auch Heilkundige. Doch letzteres würde sich höchstwahrscheinlich gar nicht oder nur schwer auftreiben lassen.

 

Sein nächstes Ziel war die Taverne. Immerhin hatte er Dawn etwas versprochen. Wenn sein Freund ihm zudem als Leibwache diente, ließ es sich auf einen Mann mit Kampferfahrung schließen. Und das wäre schon mal der richtige Weg. Von den Gerüchten abgesehen, konnte man nie wissen was für Gefahren noch auf See lauerten. Wobei Durei die Geschichte über den Spuk, der das Meer heimsuchte, für Blödsinn hielt. Seemänner, ob nüchtern oder betrunken, berichteten über ein graues Schiff mit zerrissenen Segeln ohne Besatzung. Einsam fuhr dieses Schiff ohne Wind und ohne Führung mitten auf dem Ozean zu einem nie erreichbaren Ziel.Es gab bekanntlich Wesen auf der Welt, die menschliche Vorstellungen überstiegen und nur wenige hatten überhaupt Kontakt zu ihnen. Doch ließ es sich immer auf organische Lebensformen schließen. Nur wenn jemand zur Übertreibung neigte, wurden Geister oder Dämonen erwähnt. Die leichtgläubigen Leute beeindruckte das, jedoch keinen der selbst bereits an vielen Orten war. Auch wenn Durei bisher nur im östlichen und südlichen Teil der Welt war, glaubte er nicht an Existenzen, dessen Ende nicht durch eine Schwertspitze herbeizuführen war.Wachsam ging er noch auf dem Marktplatz umher und sah sich die Menge an. Es waren kaum außergewöhnliche Gestalten unter den Bürgern. Die Kleidung zeigte zum einen Bauern, die das Glück hatten, sich die Handelsreise nach Port Riney leisten zu können. Zum anderen waren es reiche Bürger, welche herkamen, um Gegenstände aus dem Westen zu erstehen.Nach dem Spaziergang durch den Markt bis hin zur Taverne konnte er keinen ausmachen, der danach aussah, für die kommende Reise nützlich zu sein. Dies konnte er aber später noch genauer unter die Lupe nehmen und wandte sich der Taverne zu. Er schob die Tür auf und sofort kam ihm der Geruch von Alkohol, Salz und aufgebrauchter Luft entgegen. Es war laut, viele der trinkenden Seemänner riefen zum Trinken auf. In einer Ecke lag jemand bereits mit der Stirn auf dem Tisch, den Bierkrug immer noch in der Hand. Es war erst Mittag und viele Seeleute fanden keine bessere Beschäftigung, als sich hier volllaufen zu lassen. Jeder Tisch war besetzt, sodass die übrigen Gäste drum herum standen. Einige spielten Karten, andere schauten sich einfach die Mitmenschen an. Eine Schankmaid drängte sich durch die stehende Menge, um die Gäste mit Met zu versorgen. Gierige Blicke verfolgten sie, doch würde sich keiner trauen irgendwas Dummes zutun. Nicht bei den vielen Wachen hier. Es war kein Ort, an dem Durei lange bleiben wollte. Beim Gehen konnte er umherstehende Gäste beiseite schieben, ohne dass diese es bemerkten. Kaum jemand nahm wahr, dass wer neues die Taverne betrat. Als er sich schließlich bis zur Theke vorgedrängelt hatte, konnte er aus der Perspektive besser den Raum überblicken. Er schaute sich eine Weile um, konnte aber auf Anhieb keinen Mann mit Tätowierungen ausmachen.

„Sucht Ihr was Bestimmtes?“, fragte eine tiefe und kratzige Stimme hinter ihm und er drehte sich um. Der Wirt, ein älterer Mann mit kräftiger Statur stand hinter der Theke und beobachtete Durei mit kritischem Blick. Seine kurzen, dunkelbraunen Haare waren ebenso zerzaust wie sein Vollbart und es war schwer, seine Augen unter den buschigen Augenbrauen zu erkennen. „Ja, aber es bedarf keiner Hilfe, ich komme zurecht“, antwortete Durei.

„Wenn Ihr was braucht, wendet Euch an mich. Meine selbstgebrauten Tränke können selbst den leblosesten Gaul wiedererwecken!“ Wieder etwas, das Durei nicht einfach so glauben konnte.

„Ja, für die richtige Anzahl an Draku verspricht Dir jeder Wunder.“

„Wie, Ihr wollt behaupten ich lüge?!“, stimmte der Wirt seine Stimme tiefer und schien verärgert.

„Nur, wenn der besagte Gaul liegen bleibt“, antwortete Durei ihm und ließ seinen Blick auf den Wirt gerichtet. Das Gesicht des alten Mannes wurde ärgerlicher und er holte irgendetwas unterhalb der Theke hervor. Dann hob er plötzlich die Hand, woraufhin Durei seine Hand zur Faust ballte, und stellte mit Wucht eine Flasche mit rotem Inhalt auf den Tisch.

„Hier, probiert einen Schluck! Ein Pferd habe ich gerade nicht da…“ Etwas irritiert von der Art des Wirtes hielt Durei inne und ließ seinen Blick zur Flasche und wieder zum Wirt schwanken. Schließlich entspannte er seine Haltung wieder und nahm die Flasche in die Hand. Als er den Korken raus zog, zuckte er sofort mit dem Kopf zurück. Der Geruch war beißend und hatte gleichzeitig etwas süßliches an sich.

„Und Ihr wollt mich auch wirklich nicht vor all den Leuten vergiften?!“, fragte er ironisch.

„Seid still und probiert! Das ist nun eine Sache, die wir austragen werden. Wenn Ihr nach einem Schluck stehen bleibt, bin ich Euch einen Gefallen schuldig. Wird aber nicht geschehen.“ Misstrauisch aber entschlossen setzte Durei den Flaschenhals an seine Lippen und nahm einen Schluck des Gebräus. Irgendwie geschah nichts…

„Tja, soviel zu Eurem…“, begann Durei zu sagen, als dann plötzlich bunte Lichter um ihn herum tanzten und das Gesicht des Wirts sich zu einer schief lächelnden Grimasse formte. Alles drehte sich und schien sich gleichzeitig zu winden. Er fiel zu Boden. Nach ein paar Sekunden klammerte Durei sich an die Theke und zog sich langsam hoch.

„Was für ein Fusel ist das?!“, fragte er halb benommen.

„Fusel? Das ist Revolution. Wie fühlt Ihr Euch, Kamerad?“, fragte der Wirt ganz stolz. Und tatsächlich verspürte Durei ein Wohlsein in sich. Selbst die vom vielen Gehen entstandenen Fußschmerzen waren verschwunden. Der Kopf war klar und der Blick geschärft… jedenfalls dem Gefühl nach zu urteilen.

„Eine Betäubung…“, sagte er dann immer noch nicht glaubend, dass der Trank eine heilende Wirkung haben sollte.

„Keine Betäubung! Es heizt das Blut an und Blut heilt bekannterweise von innen“, kam es wieder barsch vom Wirt.

„Wo habt Ihr denn das her…?“ „Von einem Heiler aufgeschnappt. Nichtsdestotrotz habe ich Recht behalten, haha!“ Und kaum hatte Durei aufgeschaut, stand sein Gegenüber mit vorgestreckter Hand da.

„Ich heiße Barok! Lassen wir die vornehme Art beiseite. Wie heißt denn Du, Kleiner. Ich kann Dich leiden, die meisten stehen nach dem ersten Schluck nicht wieder innerhalb der ersten halben Stunde auf.“

„Mein Name ist Durei“, antwortete er, während beide sich die Hand schüttelten.

„Und ich bin auf der Suche nach einer Schiffsmannschaft…“

„Eine Schiffsmannschaft?!“, fragte Barok ganz gefasst.

„Glaubst Du, meine Tränke würden Euch von Nutzen sein?“

„Darauf wollte ich hinaus, doch ich schätze, den Gefallen habe ich mir nicht verdient.“

„Vergiss den Gefallen, ich will mit aufs Schiff! Verflucht sei diese Insel und diese Taverne!“

„Dann willkommen an Bord, Barok. Ich erwarte dann von Dir, keinen auf dem Schiff zu betäuben, solange Du Teil der Besatzung bist.“ „Ich richte mich nach dem Kapitän! Nur nimm mich bloß mit. Ich werde jetzt meine Sachen packen, das Schiff finde ich schon von allein.“ Und so verschwand Barok in einem Raum hinter der Theke.

 

Somit war nun jemand bei der Besatzung, der sich mit heilendem Gebräu verstand. Besser, als gar keinen Heiler an Bord zu haben. Dennoch hoffte Durei, keinen Fehler gemacht zu haben. Doch der Gedanke an Less zwang ihn, keine Zeit zu verschwenden. Noch stand er mit dem Rücken an die Theke gelehnt, mit beiden Armen aufgestützt. So klar sein Kopf nun auch war, er konnte nirgendwo den Mann mit den Tätowierungen ausmachen. Er würde sein Versprechen nicht brechen, selbst wenn er dafür noch den nächsten Tag bräuchte. Allerdings wäre es ihm lieber gewesen, wenn er den Größtteil an Rekruten schon an diesem Tag aufbringen könnte.

„Wie ein Kapitän seht Ihr mir aber nicht aus“, erklang eine weibliche Stimme von Dureis linker Seite. Eine sehr selbstsichere Stimme. Ein Blick dahin verriet ihm, dass es sich um eine Frau handelte, die einiges von sich halten musste. Ihre dunkelbraunen Haare waren hochgesteckt, nur eine einzige große Strähne stand ab und hing über ihr Gesicht. Leder und Fell bedeckten die wichtigsten Stellen ihres Körpers und ließen auf eine Kriegerin schließen. Vor allem, wenn man die Muskeln an ihren freien Armen und Beinen beachtete. Sie stand mit einem Arm seitlich an der Theke abgestützt da und musterte Durei.

„Ihr seid doch dieser Söldner, oder?“

„Dieser oder auch ein anderer…“

„Der Bezwinger von diesem perversen Hexer meine ich, wie hieß er noch gleich…?“

„Samnos.“

„Ja, Ihr seid es. Ihr müsst Euch ja gut benommen haben, wenn der König Euch sein schnellstes Schiff überlässt, was?“

„Wenn Ihr wüsstet… Gibt es einen Grund weshalb Ihr mich ansprecht…?“

„Lyssia. Nennt mich ruhig beim Namen. Kriegerin meines Stammes und zugleich auf Durchreise. Wollte nur mal herausfinden, ob es sich bei Euch um ebenso einen Idioten handelt, wie bei dem Rest der Bande hier.“ Sie zog dabei eine Augenbraue hoch und lächelte überlegen. Dann drehte sie ihren Kopf zu Seite, als eine dritte Person hinzukam.

„Hallo hübsches Fräulein, hilf mir doch bitte meine letzte Münze zu finden, ohne sie bin ich aufgeschmissen. Die müsste irgendwo in einer meiner Hosentaschen sein…“ Dabei tat der Mann so, als meinte er es wirklich ernst. Jeder andere allerdings würde sofort merken, dass dies nur eine Masche war, um sich mit Frauen anzubandeln. Lyssia verdrehte die Augen und machte sich auf den Weg nach draußen.

„Hier habt Ihr ein Beispiel von dem, wovon ich sprach“, waren ihre letzten Worte an Durei, bevor sie losging. Durei schaute ihr noch nachdenklich nach, konzentrierte sich dann aber anschließend auf die neue Person. Und siehe da: er war über und über tätowiert. Auf seinem haarlosen Kopf war eine Art Spinne abgebildet, deren Beine über seinen Hals und Nacken verliefen. Der rechte Arm war an der Seite völlig von einem Metallschutz bedeckt, während man an dem linken, dank des ärmellosen roten Kasacks, das Abbild von einem Zähne zeigenden Bären erkennen konnte, der nach unten weiter zu einem Dornengeflecht überging.

„Was?!“ fragte er erstaunt und schaute noch immer in die Richtung, in die Lyssia verschwunden war.

„Glaubt sie mir nicht? Der Spruch war doch gut, oder?”Er wandte sich Durei zu. „Der war doch gut?!“

„Nur halb so gut, wie Eure Kreativität bei Körperbemalungen.“

„Hehehe, da werdet Ihr wohl Recht haben! Auf die bin ich stolz. Mein bestes befindet sich…“

„Haltet ein!“ unterbrach Durei ihn. „Wie war euer Name noch gleich?“ lenkte er von dem Vorhaben des scheinbar hemmungslosen Verrückten ab.

„Oh, mein Name ist Griffin! Entschuldigt meine Unhöflichkeit. Ich bin mit einem Freund hier, wir… verdammt, Dawn! Wo ist er…?!“ Ernüchternd drehte Griffin sich um die eigene Achse, schaute anderen über die Schulter, suchte seinen kleinen Kameraden. Er schien alles andere als nüchtern zu sein.

„Er ist auf der Tryance“, erlöste Durei ihn dann von seiner Hektik. Griffin hielt inne und schaute Durei unverständlich an.

„Die Tryance? Dieses Schiff? Was habt Ihr mit ihm gemacht?!“

„Nicht, was Ihr mir gleich versucht vorzuwerfen. Er hat sich meiner Mannschaft angeschlossen und so eine Mitfahrgelegenheit bekommen, die nur wenige auf dieser Insel kriegen.“

„Eurer Mannschaft? Was habt Ihr denn vor? Die Welt erkunden? Wer seid Ihr eigentlich?!“

„Nennt mich Durei. Ich werde in den Westen segeln. Sollte ich da nicht fündig werden, nach dem was ich suche, dann noch weiter…“

„Ihr habt seltsame Beschäftigungen, Herr Durei…“ Griffin sah misstrauisch aus.„Es ist ein Auftrag des Königs, mehr kann ich nicht sagen. Ich versprach Dawn Euch mitzunehmen. Alles andere liegt an Euch.“

„Erst solltet Ihr noch was erfahren“, sagte Griffin dann ernst. „Dawn und ich haben bereits viel erlebt. Wir haben den Krieg zwischen Mirenda und Evelia gemeinsam durchgestanden.“Er legte seinen rechten Arm auf die Theke und schloss dann die Augen. „Uns verbindet etwas, das Außenstehende nicht verstehen würden. Wenn Dawn irgendetwas zustoßen sollte… IRGENDWAS. Ich schwöre, dann…“ Er blickte wieder auf und suchte nach Durei. Doch dieser war schon verschwunden. Als Griffin sich umdrehte und zum Ausgang schaute, sah er noch die Tür schwanken.

 

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